Wirtschaftskammer Wien, Stadt Wien und Industriellenvereinigung Wien legen gemeinsam ein Forderungspapier auf den Tisch, um die ausufernden Energiekosten zu stabilisieren. Neben befristeten Markteingriffen schlagen sie auch langfristige Maßnahmen vor.
Energiekosten waren früher kein wesentliches Thema für uns, jetzt aber werden sie existenzbedrohend”, sagt der Wiener Unternehmer Herbert Komolka, der das traditionsreiche Wiener Stoffgeschäft Komolka mit 54 Mitarbeitern führt. Allein in der Filiale in der Mariahilfer Straße müssen 1700 m² beheizt und beleuchtet werden – bisher kostete das rund 40.000 Euro im Jahr. Ende 2022 laufen aber die bestehenden Energieverträge des Unternehmens aus und es müssen neue abgeschlossen werden. „Derzeit sagt uns niemand einen Preis, Planen ist unmöglich geworden. Wir erwarten aber, dass unsere jährlichen Energiekosten auf 120.000 Euro bis 160.000 Euro anwachsen werden”, sagt Komolka. Und zwar trotz der bereits geplanten Gegenmaßnahmen: „Wir wollen die Beleuchtung auf verbrauchsarme LED-Lampen umrüsten, doch allein das wird uns bis zu 30.000 Euro kosten”, sagt der Unternehmer.
„Wir müssen uns bewusst sein, dass wir vor einer sehr ernsten Situation stehen”
Walter Ruck
Voraussichtlich könne man dadurch aber bis zu 60 Prozent der Stromkosten einsparen. Zusätzlich wird weniger Licht aufgedreht werden: „Wir werden die Auslagen nur mehr bis 22 Uhr beleuchten, ebenso die Werbeschilder. Und im Geschäft werden wir auch tagsüber die indirekte Beleuchtung ausschalten. Es wird dunkler werden”, so Komolka. Für die Warenpräsentation sei das natürlich nicht ideal. Außerdem werde man im Winter die Raumtemperatur absenken, soweit es geht. Allen Kunden werde das wohl nicht gefallen. Von der Politik fordert der Unternehmer mehr Unterstützung für Betriebe, die an sich nicht als energieintensiv gelten, jetzt aber die Kostenexplosion nicht so einfach stemmen können. „Die Strom- und Gaskosten müssen sinken, das ist der einzig wirksame Punkt”, sagt Komolka. Und auch für die Steigerung der Energieeffizienz in den Betrieben brauche es zusätzliche Mittel. „Es werden sonst viele Betriebe zusperren oder zumindest Personal abbauen müssen”, rechnet der Unternehmer.
Allianz für mehr Wirtschaftshilfe
Unternehmen wie dieses brauchen dringend Unterstützung, meinen auch die Wirtschaftskammer Wien, die Stadt Wien und die Industriellenvereinigung Wien, die gemeinsam ein Forderungspapier ausgearbeitet haben, das den Weg aus der Energiekostenkrise weisen soll (siehe Kasten rechts oben). Im Detail ausgearbeitet sind hier kurzfristig umzusetzende Maßnahmen, wie Unternehmenshilfen oder ein neues Kurzarbeitsmodell, ebenso wie mittelfristige und langfristige Vorhaben, wie der gemeinsame europäische Gaseinkauf oder der Ausbau der erneuerbaren Energiegewinnung in Österreich, der durch eine Überarbeitung des Rechtsrahmens beschleunigt werden soll.
Ruck: „Sehr ernste Situation”
„Wir müssen uns bewusst sein, dass wir vor einer sehr ernsten Situation stehen”, erklärte WK Wien-Präsident Walter Ruck bei der Vorstellung des Papiers. Man könne sich „mit dem Taschenrechner ausrechnen, wo das hinführt”. Daher müsse man „über die Energieunterstützung für Betriebe noch einmal drübergehen, das muss man lebbar und marktkonformer machen”, sagte Ruck. Zusätzlich sei ein zeitlich befristeter staatlicher Eingriff in den Strom- und Gasmarkt alternativlos geworden. „Wirtschaftsliberalismus darf kein Dogma sein, hier muss die Ordnungspolitik eingreifen”, so der Wiener Wirtschaftskammer-Präsident. Wenn es da und dort in der Wiener Wirtschaft noch relativ gut aussehe, dann hänge das damit zusammen, dass bei manchen noch alte Verträge mit Energielieferanten gelten. Diese würden bald enden. Daher müsse nun auch mit Hochdruck an alternativer Energiegewinnung gearbeitet werden, die in Wien zum Teil erst sehr gering erschlossen sind, wie etwa Geothermie. „Experten erwarten, dass wir allein damit etwa zehn Prozent des Gasbedarfs einsparen können”, berichtete Ruck. Hier gebe es allerdings ein zivilrechtliches Problem: „Derzeit muss man mit allen Verträgen abschließen, deren Grundstücke man unterbohrt. Künftig könnte man das aber auch wie bei Öl- und Gasbohrungen privilegiert sehen”, sagte Ruck
Planungssicherheit für Betriebe
Äußerst besorgte zeigte sich auch der Wiener Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke. „Die Preissteigerungen im Energiebereich bereiten Kopfzerbrechen.” Das derzeitige Preisfindungssystem am Strommarkt – die Merit Order – müsse daher ausgesetzt werden. „Sie hat über viele Jahre funktioniert, aber bei derzeitigen volatilen Lage am Strom- und Gasmarkt ist sie nicht mehr zu halten.” Die Betriebe bräuchten Planungssicherheit, doch vielfach sei sie derzeit nicht gegeben. „Manche Branchen leiden immer noch an den Folgen der Covid-Krise, jetzt kommt auch das noch dazu”, sagte Hanke. Man müsse sich nun auf ein schwieriges Jahr 2023 vorbereiten, für Energieanbieter brauche es einen österreichweiten Schutzschirm, für Betriebe mehr Hilfen und außerdem eine Energie-Kurzarbeit. „Es ist wichtig, für den Wirtschaftsstandort die Wettbewerbsfähigkeit zu halten”, sagt Hanke.
Hohe Energiekosten nur in Europa
Extrem unter Wettbewerbsdruck geraten ist mittlerweile auch die Wiener Industrie: „Teile der Industrie stehen am Abgrund. Einige Betriebe werden Weihnachten nicht erleben”, warnte IV Wien-Präsident, Christian Pochtler. Die Situation sei „dramatisch” – weil die Energiekostenkrise derzeit vor allem Europa trifft, nicht aber die großen Konkurrenten am Weltmarkt, die USA und China. „Wer jetzt nicht abgesichert ist, bekommt Stromrechnungen, die ihn in die Liquiditätsenge bringen”, sagte Pochtler. Denn die hohen Kosten könnten im globalen Wettbewerb nicht voll weitergebenen werden. Die Folge: „Ausländische Anbieter kommen bei uns auf den Markt, übernehmen Kunden, und unsere Arbeitsplätze sind weg.” Der Energiekostenzuschuss sei zu bürokratisch, zu wenig und werde sehr spät ausbezahlt, kritisiert Pochtler. Besser wäre es daher, die Probleme am Energiemarkt zu lösen – über einen temporären staatlichen Eingriff. Zusätzlich müsse die Gasproduktion in allen erdenklichen Bereichen voll angeworfen werden. „Gas darf als Brückentechnologie für die Energiewende nicht völlig zusammenbrechen”, forderte der IV Wien-Chef.
Quelle: WK-Wien
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