Wien geht Fachkräftesicherung entschlossen an

9. Januar 2024

© Florian Wieser

Wien geht Fachkräftesicherung entschlossen an

9. Januar 2024

Stadt, Arbeiterkammer Wien und Wirtschaftskammer Wien ziehen an einem Strang

Das Fachkräfteangebot bleibt ein relevanter Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung Wiens. Bürgermeister Michael Ludwig sieht aus mehreren Gründen für die Fachkräftesicherung in Wien eine gute Ausgangsposition: „Wir haben mit der Strategie Wien 2030 – Wirtschaft & Innovation einen klaren Weg der Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandorts Wien eingeschlagen. Darin sind die sechs Spitzenthemen wie etwa Gesundheitsmetropole, Digitalisierung, smarte Produktion in der Großstadt und Kultur- und Kreativmetropole Wien benannt. Die Fachkräftesicherung ist für die Metropolregion Wien, die Stadt und ihre Leistungsfähigkeit von hoher Bedeutung. Gemeinsam mit den Sozialpartnern arbeiten wir auf Basis von bestehenden Vereinbarungen an einem weiter wirtschaftlich prosperierenden und lebenswerten Wien. Fachkräftesicherung ist damit Teil der Raus-aus-Gas-Strategie genauso wie der Digitalen Agenda Wien.“

Renate Anderl, Präsidentin der Arbeiterkammer, sieht den Fachkräftebedarf als Chance für Arbeitnehmer: „Fachkräftemangel beheben heißt immer auch den Aufstieg von Arbeitnehmern fördern. Niemand muss für immer in einem Job sein, mit dem man unzufrieden ist. Es gibt Unterstützung auf dem Weg zur beruflichen Veränderung. Wichtig ist uns als Arbeiterkammer, dass Aus- und Weiterbildungen gut leistbar und mit dem Familienleben gut vereinbar sind. Die Stadt Wien hat auf diesem Weg bereits wichtige Schritte gesetzt – die Bundesregierung muss nachziehen! Neben den Angeboten der öffentlichen Hand muss es aber auch im Interesse der Betriebe sein, selbst für gut qualifizierte Facharbeiter*innen zu sorgen.“

Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke: „Die steigende Zahl der erwerbsfähigen Wienerinnen und Wiener aber auch die Anziehungskraft Wiens für Arbeitskräfte aus anderen Bundesländern sind ein wesentliches Potenzial für den Wirtschaftsstandort Wien. Jetzt geht es darum, dieses Potenzial bestmöglich zu nutzen – von der Ausbildung über den Berufseinstieg bis hin zur gesamten beruflichen Laufbahn. Das AMS Wien ist dafür der wichtigste Partner, wenn es um die Qualifizierung von arbeitsuchenden Menschen geht. Die Stadt Wien bietet über den waff ein breites Angebot, um Aus- und Weiterbildungen zu unterstützen und um mit speziellen Programmen gemeinsam mit dem AMS Wien Wiener für gesuchte Branchen auszubilden. Gleichzeitig sind auch die Unternehmen in Wien gefordert, sowohl was die Lehrausbildung als auch die Weiterentwicklung ihrer Mitarbeiter betrifft.“ 

Alexander Biach, Direktor-Stellvertreter der Wirtschaftskammer Wien, ortet in der aktuellen Entwicklung eine große Chance für die Lehrausbildung: „Fachkräfte sind in vielen Bereichen gefragt, besonders mit digitalen und Klimaschutzkompetenzen. Lehrausbildungsbetriebe haben hier einen entscheidenden Vorteil gegenüber jenen, die keine Lehrlinge ausbilden. Das wissen die Wiener Unternehmen. Wien hatte in letzten Monaten den größten Zuwachs an Lehranfängern aller Bundesländer. Die Wiener Betriebe bilden heute um 12 Prozent mehr Lehrlinge aus als vor Corona. Zudem arbeiten wir laufend daran, die Attraktivität der Lehrberufe zu steigern und sie zu modernisieren.“

Fachkräftezentrum der Stadt Wien im waff

Ein hinreichendes Arbeitskräfteangebot, insbesondere aber die Verfügbarkeit gut qualifizierter Fachkräfte ist ein entscheidender Standortfaktor. Die Stadt Wien hat deshalb im waff ein Fachkräftezentrum eingerichtet. Das Fachkräftezentrum ist eine Art Ideenschmiede, die alle relevanten Player an einen Tisch bringt und vor allem zwei wesentliche Aufgaben erfüllt: Erstens sollen die Bedarfssituation in Wien systematisch analysiert und frühzeitig Problemstellungen erkannt werden. Zweitens hat das Fachkräftezentrum die Aufgabe, alle für die Entwicklung von effektiven Problemlösungsstrategien relevanten Verantwortungsträger an einen Tisch zu bringen und bei der Entwicklung von konkreten Lösungsstrategien unterstützend und koordinierend zur Verfügung zu stehen.

Eine umfassende Status-Quo-Erhebung der Fachkräftesituation in Österreich bzw. verlässliche Prognosen zum zukünftigen Fachkräftebedarf sind hingegen aufgrund unzureichender Datenlage in Österreich nicht möglich. Der Bedarf muss von Fall zu Fall analysiert werden. Fest steht, dass nationale Ergebnisse allein schon aufgrund der unterschiedlichen demographischen Entwicklung mit Hinblick auf die Erwerbsbevölkerung nicht 1:1 auf Wien umgelegt werden können. Ein Ziel des Fachkräftezentrums ist, trotz dieser unzureichenden Datenlage einen Beitrag für eine solide Analyse der Fachkräftesituation in Wien zu leisten.

Das Fachkräftezentrum wurde von einer Steuergruppe aus Arbeiterkammer Wien, Wirtschaftskammer Wien, Österreichischer Gewerkschaftsbund, Industriellenvereinigung, Bildungsdirektion Wien und AMS Wien sowie MA 23 – Wirtschaft, Arbeit und Statistik und Wirtschaftsagentur Wien entwickelt. Aus der gemeinsamen Grundlagenarbeit gingen drei Handlungsfelder des Fachkräftezentrums für den Zeitraum bis 2025 hervor: Digitalisierung, Ökologisierung und kommunale Daseinsvorsorge.

Handlungsfeld Digitalisierung
Digitalisierung und Ökologisierung sind die großen Themen des Wandels weltweit. Im Bereich der Digitalisierung geht es sowohl um digitale Kompetenzen der gesamten Bevölkerung als Teil der gesellschaftlichen Teilhabe als auch um die Ausbildung von Spezialisten für die IT-Branche und darüber hinaus. Die IKT Branche erzielt mit 8.800 Unternehmen und rund 67.000 Beschäftigten eine Bruttowertschöpfung von rund acht Milliarden Euro und macht über zehn Prozent der Umsätze der Wiener Wirtschaft aus und gehört zu den am stärksten wachsenden Branchen. Die Hälfte des gesamtösterreichischen IT Fachkräftebedarfs besteht in Wien. Laut einer Befragung von Unternehmen der Branche Unternehmensberatung-IT (UBIT) fehlen in Wien rund 5.800 Fachkräfte in den Wiener IT-Unternehmen.

Dieser Bedeutung muss auch am Ausbildungssektor Rechnung getragen werden. Grundsätzlich verfügt Wien mit den bestehenden sechs HTL sowie den Fachhochschulen und Universitäten im Bereich der IT über eine gute Infrastruktur. Doch um den künftigen Bedarf an Experten in der IT zu decken, braucht es mehr Absolventen. Aus diesem Grund wird in Wien von der Wirtschaftskammer Wien in Zusammenarbeit mit der Stadt Wien die Gründung einer neuen HTL mit digitalem Schwerpunkt angestrebt. Schon im Vorjahr hat die Coding Schule 42 Vienna mit Unterstützung unter anderem der Arbeiterkammer Wien, der Wirtschaftskammer Wien und des waff ihren Betrieb aufgenommen. Aktuell sind 280 Personen in Ausbildung, die ersten Absolventen werden Ende des heurigen Jahres auf den Arbeitsmarkt kommen.  

Alexander Biach, Direktor-Stellvertreter der Wirtschaftskammer Wien: „Die Digitalisierung bringt mit sich, dass in allen Branchen IT-Experten mit unterschiedlichsten Schwerpunkten gesucht werden. Gerade die Möglichkeiten der KI führen uns das derzeit vor Augen. Für die Zukunft des Standort Wien ist das Fachkräftepotenzial in der IT mitentscheidend. Deshalb forcieren wir die Errichtung einer neuen HTL mit Schwerpunkt auf IT. Wir übernehmen hier Verantwortung, gemeinsam mit unseren Partnern, damit in Zukunft mehr IT-Experten in Wien ausgebildet werden können.“

Mit dem Digi-Winner, der Förderung von Arbeiterkammer Wien und waff, werden Aus- und Weiterbildungen von beschäftigte Wiener im digitalen Bereich mit bis zu 5.000 Euro gefördert. Mit dem Programm Jobs PLUS Ausbildung bietet der waff gemeinsam mit dem AMS Wien Quersteinsteigern die Chance, am IT-Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Außerdem bietet das Angebot Wiener Unternehmen eine neue Recruitingmöglichkeit, um selbst Fachkräfte auszubilden.

Handlungsfeld Ökologisierung
Die Ökologisierung der Wirtschaft kann ein neuer Beschäftigungsimpuls für den Arbeitsmarkt in der Metropolregion Wien werden. Denn laut OECD liegt der Anteil der klimaschädlichen Berufe im Osten Österreichs um acht Prozentpunkte unter jenem im Westen Österreichs. Zudem wird der Weg zur klimaneutralen Stadt mit der Sonnenstromoffensive und der Raus-aus-Gas-Strategie den Bedarf nach Fachkräften steigen lassen. Renate Anderl, Präsidentin der Arbeiterkammer: „Wir wollen die Chance der Ökologisierung für die Arbeitnehmer nutzen, etwa im Bereich der Kreislaufwirtschaft. Dafür braucht es gute Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, wie sie etwa im Projekt Öko-Booster für kommende Elektrotechniker und Gebäude- und Installationstechniker geboten werden.“

Das Projekt Öko-Booster von AK Wien gemeinsam mit dem AMS Wien und dem waff bietet 18 bis 24-jährigen Arbeitssuchenden ohne Ausbildung ein umfassendes Qualifizierungs- und Beratungsangebot mit einer Facharbeiter-Intensivausbildung in Elektrotechnik sowie Installations-und Gebäudetechnik. Bis 2027 sollen so mindestens 100 zusätzliche Lehrabsolventen in den Beruf starten.

Für die Erreichung der klimaneutralen Stadt 2040 werden Fachkräfte mit Lehrabschluss im Bereich der Ökologisierung absolut notwendig sein. 2022 haben 2.617 Lehrlinge ihre Ausbildung in diesen Berufen erfolgreich abgeschlossen, 152 weniger als 2021. Um diese Zahl zu erhöhen und den Betrieben einen Anreiz zur Ausbildung zu geben, fördert der waff die Lehrausbildung in klimaschutzrelevanten Berufen. Ein Lehrausbildungsbetrieb erhält bis zu 9.900 Euro für einen Lehrling im ersten Lehrjahr bzw. bis zu 15.000 Euro für einen Lehrling im zweiten Lehrjahr.

Auch die überbetriebliche Lehrausbildung des AMS Wien, die von der Stadt Wien mit 6,7 Mio. Euro unterstützt wird, spielt hier eine große Rolle. Es werden 1.819 Lehrlinge in klimaschutzrelevanten Berufen ausgebildet.

Handlungsfeld Daseinsvorsorge
Neben dem digitalen und ökologischen Wandel stellt auch die kommunale Daseinsvorsorge Ansprüche an die Fachkräftesicherung. Stadtrat Peter Hanke: „Wir sehen, dass die Stadt Wien allein bis 2030 21.000 neue Mitarbeiter braucht, da die Baby Boomer Schritt für Schritt in Pension gehen. Wien hat als jüngstes Bundesland demografisch und altersstrukturell sehr gute Voraussetzungen was den ‚Generationen-Turnover‘ am Arbeitsmarkt betrifft. Hier wollen wir weiter ein attraktiver Arbeitgeber für Fachkräfte in Wien sein. Gleichzeitig arbeiten wir bereits mit dem waff und dem AMS Wien zusammen, um gezielt künftige Mitarbeiter auszubilden.“

Ein Bereich der Daseinsvorsorge ist die Pflege und Betreuung. Allein in der Langzeitpflege wurde bis 2030 ein Bedarf von zusätzlich 9.121 Personen prognostiziert. waff und AMS Wien sind hier seit Jahren aktiv und das mit Erfolg. 51 Prozent aller Neueinsteiger in eine Pflegeausbildung haben 2022 mit dem Programm Jobs PLUS Ausbildung eine Pflegeausbildung begonnen. Die finanzielle Unterstützung durch das AMS Wien und das Wiener Ausbildungsgeld des waff tragen hier wesentlich zur Attraktivität bei. Teilnehmende Personen erhalten mindestens rund 1.400 Euro pro Monat während der gesamten Ausbildung. 2023 wurden 1.396 Personen über den waff in Pflege- und Betreuungsberufen ausgebildet, 2024 sind 1.707 geplant.

Auch in der Elementarpädagogik, bei der für Wien bis 2030 1.900 zusätzliche Elementarpädagogen prognostiziert wurden, haben waff und AMS Wien das attraktive Angebot gemacht. Bislang sind schon 440 Wiener über den waff in die Elementarpädagogik-Ausbildung eingestiegen. 2024 werden die ersten Absolvent*innen in den Job starten, weitere 88 beginnen mit der Ausbildung.

Quelle: WK-Wien

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