Die Wiener Verkehrspolitik hat viele offene Baustellen – selbst dann, wenn gerade nicht gebaut wird. Das sind die aktuellen Herausforderungen zwischen Lobau, Kaisermühlen und Hernals.
Zum Einstieg eine kurze Info für alle Nicht–Wiener: Die Südostangete A23 ist eine Stadtautobahn in der Bundeshauptstadt und Teil der Europastraßen E49, E59 und E461. Mit fast 18 Kilometern Länge ist die kürzeste Autobahn, jedoch mit einer Frequenz von durchschnittlich 180.000 Fahrzeugen pro Tag (deutlich mehr als bei der Brenner-Autobahn) die meistbefahrene Straße Österreichs. Außerdem ist sie dank fast täglicher Verkehrsbehinderung – unbeliebter – Stammgast in den Ö3- Verkehrsnachrichten.
Zwischen den Knoten Kaisermühlen (Übergang A22) und dem Knoten Prater (Anschluss an die A4) kommt es auch in Lockdown-Zeiten immer wieder zu Staus durch Überlastung. Die für die kommenden Monate angekündigten Baustellen und Erhaltungsarbeiten samt dem dafür notwendigen Einsatz von “Fly-over“ – Bauwerken werden die Situation zusätzlich verschärfen. Die dadurch nicht zu vermeidenden unzähligen Brems-und Anfahrvorgänge tausender Fahrzeuge schaden auch der Umwelt.
Wie könnte dies für die gesamte Ostregion wichtige Lebensader entlastest werden?
Eine Möglichkeit ist die Verlängerung der S1 Außenring Schnellstraße zwischen Schwechat und Süßenbrunn samt den vieldiskutierten Lobautunnel. Hier spießt es sich aktuell aber wieder zwischen den Parteien und der nicht bei allen ausreichend vorhanden Kompetenz bezüglich Standortsicherung Wettbewerbsfähigkeit. Die ökonomischen Folgen werden mehr und mehr außer Acht gelassen. Außerdem brauchen auch die lokal emissionsfreien Elektro-Transporter und Wasserstoff-Lkw der mittelfristigen Zukunft ein leistungsfähiges Straßennetz, um die Versorgung des Konsumenten sicherstellen zu können.
Traditionsbetriebe wandern ab
Aber nicht nur auf Stadtautobahn gibt es ungelöste Herausforderungen. In den dicht verbauten Gründerzeitbezirken Ottakring und Hernals trotzen Wiener Traditionsbetriebe der Abwanderung in Gewerbegebiete auf der grünen Wiese und produzieren ihren legendären Gerstensaft oder ihre weltberühmten Schnitten weiter am über die Jahrhunderte gewachsenen Stammsitz. Diese sehr zu lobende Verwurzelung geht für diese Unternehmen aber zugleich mit Einschnitten und Schwierigkeiten einher: Die Anlieferung der Rohstoffe wie Malz oder Haselnüssen sowie der Betrieb der fertigen Produkte erfolgen notwendigerweise mit dem LKW.
Gleiches gilt für Baufahrzeuge, Dachdecker, etc.: Durch den Zu- und Rückbau des bestehenden Straßennetzes in vielen Wiener Bezirken wird das immer schwieriger. Alternativen wie die Güterbeförderung per Straßenbahn haben sich nicht durchgesetzt. Kürzlich beendete „CarGo-Tram“ in Dresden als einziges derartiges System weltweit ihren Betrieb. Ohne Lkw wird unser tägliches Leben auch in der Zukunft nicht funktionieren – wir Transporteure und die ganze Gesellschaft sind dabei auf einer geeignete Infrastruktur und ein funktionierendes Straßennetz angewiesen!
Zum Autor: Wolfgang Böhm Unternehmer und Obmann der Fachgruppe für das Güterbeförderungsgewerbe Wien. https://www.wko.at/wien/transporteure
Quelle: DER ÖSTERREICHISHE TRANSPOTEUR, Print-Ausgabe vom März 2021