Wiener Wirtschaftskreis. Der renommierte Wiener Historiker Oliver Rathkolb ist überzeugt, dass die Sozialpartnerschaft in Österreich noch viel bewegen kann, wenn sie die Zukunftsthemen der Jungen aufgreift, die Digitalisierung nutzt und emotionalisiert.
Oliver Rathkolb ist einer der führenden Experten für österreichische Zeitgeschichte und Mitglied des Wiener Wirtschaftskreises – der Denkfabrik der Wirtschaftskammer Wien, die sich wichtigen Zukunftsfragen widmet. In eben diesem Kreis referierte der anerkannte Historiker über die Vergangenheit und Zukunft der heimischen Sozialpartnerschaft – und ließ dabei mit überraschenden Sichtweisen aufhorchen.
„Will die Sozialpartnerschaft auch im 21. Jahrhundert wirkungsmächtig bleiben, muss sie den sehr schwierigen und sich laufend ändernden Bereich der digitalen Medien beschreiten”, sagte Rathkolb. Wer dort reüssiere, habe ständig Zugang zu einer „unglaublich großen Gruppe an Sympathisanten und Interessierten. Für mich ist das die zentrale Herausforderung.”
Auch Fernsehmacher und Printmedien seien sich bewusst, dass die Kommunikation in der Zukunft eine völlig andere sein wird. „Es bedarf einer jugendadäquaten Kommunikation und Sprache”, so Rathkolb. Da ginge es nicht mehr um den Austausch von Statistiken und Studien, sondern sehr stark um Emotionen. „Manchmal ziehen absurde, aber durchaus positive Argumente eine unglaubliche Zustimmung nach sich, weil sie emotional sind”, so der stets nüchtern und faktenorientiert auftretende Historiker.
Vor allem für das Erreichen der jüngeren Generation und damit für die Zustimmung der Bevölkerung zur Sozialpartnerschaft in der Zukunft sei dies wichtig. „Die Jungen sehen, dass das Land blüht und gedeiht – welche historischen Leistungen die Sozialpartnerschaft in der Nachkriegszeit vollbracht hat, interessiert sie weniger”, so der Experte. Die Sozialpartnerschaft wecke bei den Jahrgängen ab den 1980er Jahren keine emotionale Bindung, sie werde weder positiv noch negativ gesehen. Hier müsse man nun die sozialen Medien nutzen, beispielsweise um politische, ökonomische und soziale Ziele mithilfe emotionaler Botschaften zu verhandeln und zu diskutieren.
Die Sozialpartnerschaft werde auch in der Zukunft in der Lage sein, an frühere Erfolge anzuknüpfen, wenn sie sich großen Zukunftsthemen wie Bildung, Integration und Generationenvertrag widme, meint Rathkolb. „Es ist eine Stärke der Sozialpartnerschaft, in Schlüsselzeiten Partikularinteressen zurückzustellen, um gemeinsame, große Projekte zu realisieren”, sagt er. Die Sozialpartnerschaft sei nach wie vor eine „valide, institutionell starke Gruppe mit einem großen, wichtigen Netzwerk”. Und sie habe – etwa durch ihre Lohnpolitik – positiven Einfluss auf Österreich und sein Wirtschaftswachstum gehabt, wie Wirtschaftswissenschaftler mehrfach nachgewiesen hätten. Das sehe auch er so, sagt Rathkolb. Außerdem stehe weiterhin eine Mehrheit der Bevölkerung hinter der Sozialpartnerschaft. Künftig sei aber wichtig, die jeweiligen Mitglieder „stärker einzubinden, um so etwas wie eine Corporate Identity zu schaffen, die über eine gesetzliche Mitgliedschaft hinausgeht”.
Quelle: Wiener Wirtschaft