Start-ups brauchen Kapital, um ihre Ideen umzusetzen. Es wird unter anderem von Private Equity Fonds zur Verfügung gestellt. Etabliert sich Wien als Fondsstandort, wäre das ein entscheidender Vorteil auf dem Weg aus der Krise.
Mit ihren innovativen Produkten und Services stehen Start-ups für Wirtschaftswachstum. Oft treten sie auch an, um die Welt ein Stück weit positiv zu verändern. „Wir sind ein Türöffner für Menschen, die erstmals Geld statt am Sparbuch zu parken anderweitig anlegen wollen”, sagt Michael Murg, einer der Gründer von Brickwise. Über das Start-up im Finanzbereich kann man mittels einer App in Immobilien investieren und das bereits ab 100 Euro. Die Idee dazu, wie man Investment für alle Menschen zugänglich machen kann, hatte Murg schon vor einigen Jahren – er forscht und lehrt an der Grazer FH Joanneum am Institut für Bank und Versicherungswirtschaft. Möglich geworden ist die Umsetzung der App aber erst durch die Blockchaintechnologie, die fälschungssichere Transaktionen und Dokumentationen ermöglicht. 2019 gründeten Murg und sein Team Brickwise und arbeiteten zwei Jahre lang an ihrem Prototypen. Für die Gründung, Umsetzung der App und sein Wachstum brauchte, Brickwise allerdings selbst Investitionen. 2020 fanden sie einen Investor, der das Kapital für die konkrete Umsetzung ihrer Idee zur Verfügung stellte. Später wurde ein internationaler Fonds auf sie aufmerksam und das Wachstum begann. Aktuell sind sechs freie Stellen ausgeschrieben.
Investition mit Risiko
Investoren, die Start-ups in einer frühen Phase Kapital zur Verfügung stellen, müssen von einer guten Idee überzeugt sein, denn scheitert die Idee, ist das Geld weg, von Rendite ganz zu schweigen. Geht alles gut, winken dafür hohe Gewinne. Die Geldmittel für die jungen Betriebe kommen daher seltener von Banken, sondern eher von großen Investoren, wie man sie aus der Show „2 Minuten, 2 Millionen” kennt. Oder eben von Venture Capital Gesellschaften – also etwa von Fonds, die sich mit Risikokapital an Unternehmen beteiligen mit dem Ziel, beim Verkauf ihrer Anteile Gewinne zu erzielen.
Investoren nach Wien holen
„Wenn es uns gelingt, den Finanzstandort Wien zu erweitern, hätte das für die Wirtschaft enorm positive Effekte”, so Walter Ruck, Präsident der Wirtschaftskammer Wien. Einerseits hätte Wien in einigen Branchen eine gut funktionierende Start-up-Szene, der man Kapital leichter zugänglich machen sollte. Andererseits sei es wünschenswert, kleineren und mittleren Unternehmen in Wien nach den Belastungen der Corona- und der Energiekrise wieder verstärkt Eigenkapital zuzuführen. Ob das über den Weg von Private Equity Fonds und Venture Capital gelingen könnte, dazu hat die WK Wien bei Eco Austria eine Langzeitstudie in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse der Studie – was diese Fonds dem Standort bringen und was nötig ist, um sie hierher zu holen – wurden in einer „Für Wien”-Broschüre zusammengefasst.
Neue Technologie für die Klimawende
„Risikokapital ist besonders mit Innovationen verbunden”, sagt Monika Köppl-Turyna, Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstituts Eco Austria. Das sei besonders für die Industrie wichtig. Gerade Unternehmen, die durch ihre Technologie zur CO2-Reduktion beitragen, würden eine wichtige Rolle einnehmen. Durch den Einfluss auf die Investitionen in diesem Bereich hat Risikokapital also auch großen Einfluss auf die Bekämpfung des Klimawandels. Österreichische Unternehmen in diesem Bereich zu unterstützen und andere nach Wien zu holen sei also überaus wünschenswert. Brickwise etwa plant, sein Investmentportfolio in diese Richtung zu erweitern. „Wir starten gerade mehrere Kooperationen im Bereich Energie. Wo kann man zum Beispiel in Solarpanele auf Immobilien und damit in Infrastruktur investieren”, so Murg.
Fonds haben positive Effekte auf die gesamte Volkwirtschaft
Venture Capital Fonds übernehmen neben der Finanzierung noch einige andere Rollen in einer Volkswirtschaft. „Fonds spielen eine aktive Rolle im Management, nehmen Einfluss auf das strategische Verhalten der Unternehmen, die dadurch besser und produktiver werden. Und sie übernehmen jetzt, in Zeiten, wo die Zinsen steigen, eine Selektionsrolle, indem sie zeigen, wo das Geld am besten angelegt wird”, so Köppl-Turyna. Dadurch setzen sie Signale für andere Investoren und holen sie an den Standort. In weiterer Folge werden mehr Patente angemeldet, die Beschäftigung steigt, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wächst und auch die Staatseinnahmen werden größer. Kurzfristig würde eine erhöhte Private Equity bzw. Venture Capital-Aktivität Österreich ein Plus von fast 500 Millionen Euro – 0,12 Prozent des BIP – bringen, mehr als die Hälfte davon würde im Inland investiert. Im langfristigen Szenario, das Eco Austria errechnet hat, bringe eine Erhöhung von Private Equity und Venture Capital auf zehn Milliarden Euro innerhalb von zehn Jahren einen Zuwachs von 2,4 Prozent des BIP oder 2,3 Milliarden Euro. Wien würde von dem Investitionsvolumen überproportional profitieren, weil die meisten Fonds in der Hauptstadt angesiedelt wären. Wie attraktiv Wien als Standort für Start-ups ist, zeigt etwa, dass die Gründer von Brickwise hier ihren Standort gewählt haben. Auf ihr Büro im ersten Bezirk mit Blick auf die alte Börse sind sie stolz. „In Wien Mitarbeiter zu finden ist einfacher als anderswo. Außerdem gibt es über Institutionen wie etwa die Wirtschaftsagentur Wien guten Zugang zu Förderungen”, so Murg.
Wien als guter Boden für Fonds mit Blick auf Osteuropa
Vorerst ist Österreich international aber auf den hinteren Plätzen zu finden (siehe Grafik Seite 8). 2019 fielen nur 0,045 Prozent des BIP in Private Equity, bei Venture Capital-Beteiligung waren es gar nur 0,02 Prozent. „Die Verfügbarkeit von Risikokapital in Österreich ist im internationalen Vergleich mehr als verbesserungsbedürftig”, sagt Köppl-Turyna. Praktisch alle westeuropäischen Staaten haben einen höheren BIP-Anteil von Private Equity und Venture Capital als Österreich. Das müsse nicht so sein, denn das Drehen an einigen Stellschrauben könnte das Blatt wenden. Best Practice-Beispiel ist Luxemburg, das aktuell ca. 200 Milliarden Euro an Fondsvolumen hat. „Die regionale Strahlkraft eines Hubs in Richtung Zentral- und Osteuropa ist enorm”, so Rudolf Kinsky von der Austrian Private Equity and Venture Capital Organisation (AVCO). Ein Fonds, der in Bulgarien investiert und in Wien statt in Luxemburg angesiedelt wäre, würde bis zu 300.000 Euro Kosten im Jahr sparen, weil Wien bei Lebenshaltungskosten und Dienstleistungen vergleichsweise günstiger sei.
Handlungsempfehlungen, um Wien als Fondsstandort zu etablieren
Faktoren, die die Entwicklung der Private Equity und Venture Capital-Märkte beeinflussen, sind vor allem Steuern, gesetzliche Regulierungen und das kulturelle Umfeld. Österreich hat viel Positives zu bieten, manche Schwächen gilt es jedoch zu beseitigen (siehe Kasten unten). So wird vom Staat hierzulande viel für Forschung und Entwicklung ausgegeben, die Flexibilität des Arbeitsmarkts, ein hoher Investorenschutz sowie die Standards bei der Rechnungslegung stehen auf der Habenseite für die Ansiedlung von Fonds. Aufholbedarf hat Österreich bei der steuerlichen Belastung von Unternehmen, bei der Bürokratie und beim Gesellschaftsrecht.
Die wichtigsten Schritte sind daher:
- Die Senkung der Abgabenbelastung durch Körperschaft- und Kapitalertragsteuer.
- Weniger Besteuerung von stock options, also Anteile des Unternehmens für Mitarbeiter.
- Weniger Besteuerung von carried interest, also die Gewinnbeteiligung für Verwalter einer Kapitalanlage.
- Reform bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen für Fonds – die Qualität der Regulierung und die Treffsicherheit muss verbessert werden.
- Die Etablierung eines Dachfonds, um große Investoren wie Pensionskassen oder Stiftungen zu animieren.
- Vereinfachungen beim Gesellschaftsrecht, vor allem bei Gründungen und in der Wachstumsphase.
Positives Fazit der Studie
Die Studie von Eco Austria kommt zu dem Schluss, dass viele Ansätze für verbesserte Anreize für privates Risikokapital, für innovative Start-up-Unternehmen und KMU im aktuellen Regierungsprogramm 2020 bis 2024 Aufnahme gefunden haben. Dort findet sich das Ziel, den österreichischen Standort und vor allem die Gründung neuer Unternehmen mit innovativen Ideen – inklusive Social Entrepreneurship – und deren Wachstum zu fördern. Dazu soll privates Risikokapital mobilisiert werden – mit vielen Ansätzen, die den Handlungsempfehlungen der WK Wien folgen. Was noch fehlt, ist die zügige Umsetzung. Murg als Start-up- und Anlageexperte kann dem viel abgewinnen. „Die Idee, Investitionskapital herzuholen, ist großartig. Wien ist lebenswert, vergleichsweise sozial gerecht und wird nicht als Steueroase wahrgenommen Das wird positive Auswirkungen haben.”
Webtipp:
Es braucht deutlich mehr Risikokapital
Quelle: WK-Wien
Lesen Sie hier mehr:
>>> Mehr Kapital für dynamische Unternehmen
>>> Es braucht deutlich mehr Risikokapital