Wien ist seit Jahren weit oben im Ranking der beliebtesten Destinationen für Städtereisen in Europa. Damit das auch in Zukunft so ist, brauchen Unternehmer bessere Rahmenbedingungen, fordert Markus Grießler, Obmann der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft, im Gespräch.
Was zeichnet die Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft besonders aus?
Grießler: Die Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft der Wirtschaftskammer Wien mit ihren sieben Fachgruppen und mehr als 14.000 Mitgliedern beeindruckt mit einer unglaublichen Vielfalt. Von den Fremdenführern, meist Ein-Personen-Unternehmen, über Eventagenturen, Fitnessbetriebe, Reisebüros bis hin zu Kaffeehäusern, Restaurants, Hotels und Gesundheitsbetrieben – das ist schon eine eindrucksvolle Bandbreite.
Diese Unternehmer sind auch maßgeblich an den positiven Tourismuszahlen in Wien beteiligt?
Grießler: Ja, denn ohne das unermüdliche Engagement der Freizeit- und Tourimusbetriebe wäre Wien als Top-Tourismusstandort nicht dort, wo es heute ist. Bei den Nächtigungszahlen schreibt Wien bereits seit Jahren Rekordwerte. Als Interessenvertretung ist es daher unsere klare Aufgabe, noch stärker für die Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und für den Tourismusstandort Wien einzutreten.
Einiges konnte ja schon erreicht werden.
Grießler: Genau. Ein ganz großer Erfolg ist die teilweise Öffnung von Anrainerparkplätzen für den Wirtschaftsverkehr, für die sich die WK Wien lange eingesetzt hat. Das kommt etwa den Zulieferern von Gastronomiebetrieben zugute, und noch vielen mehr. Dass es nun endlich Rechtssicherheit in Bezug auf Werkvertrag und Dienstvertrag geben wird, ist ebenfalls eine enorme Entlastung. Mit dem Ende der Aushangpflicht für Arbeitnehmerschutz-Gesetze wurde ein weiterer Amtsschimmel erfolgreich ausgebremst.
Stichwort Amtsschimmel. Gibt es noch offene Forderungen?
Grießler: Eine ganze Menge. Die Registrierkassa, die Allergenverordnung, das Rauchverbot ab 2018 und viele bürokratische Auflagen, die es zu beachten gilt, sind Belastung genug. Deshalb setze ich mich besonders dafür ein, dass es in Bezug auf den §113 der Gewerbeordnung endlich Rechtssicherheit gibt. Wirte und Besitzer von Kaffeehäusern werden noch immer dafür verantwortlich gemacht, wie sich ihre Gäste vor dem Lokal verhalten. Beschwerden von Anrainern wegen Lärmbelästigung führen zur Vorverlegung der Sperrstunde – das kann im schlimmsten Fall für den Betrieb existenzgefährdend sein. Aus diesem Grund haben wir auch die Facebook-Kampagne „Wir sind Wirte, und keine Kindergärtner” gestartet.
Wie ist der Stand bei der Mehrzweckhalle für Wien, die Sie ja immer wieder gefordert haben?
Grießler: Ich halte den Bau einer Multifunktionshalle, zum Beispiel am Standort St. Marx, für absolut notwendig. Der Nutzen für den Wirtschaftsstandort liegt auf der Hand. Sowohl als Magnet für Gäste als auch als Jobmotor. Wien braucht eine Alternative zur Stadthalle, um zukunftsfit zu bleiben und um zum Beispiel auch größere Sportevents und Live-Entertainment ausrichten zu können. Wenn die Stadt diese Chance jetzt verpasst, wird eine solche Halle im benachbarten Ausland gebaut und der Zug für Wien ist abgefahren.
Wien darf sich demnach nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen.
Grießler: Wien darf sich auf keinen Fall mit dem Status Quo zufrieden geben. Denn die heutigen Lorbeeren als attraktiver Tourismusmagnet sind keine Garantie für den morgigen Erfolg. Die Konkurrenz schläft nicht, wie man so schön sagt. Es nützt nicht, dass unsere Unternehmer großartige Visionen haben. Da muss auch die Stadt mitziehen und Grundlagen für diese Visionen schaffen, um Wien fit für die Zukunft zu machen.
Wo würden Sie hier ansetzen?
Grießler: Ansätze gibt es genug. Angefangen bei der Umsetzung von Tourismuszonen über einen vorzeigbaren Fernbusterminal bis hin zum Bau der dritten Piste, die ich für unabdingbar halte. Das alles muss jetzt passieren, aber offenbar leben wir in der Zeit der vergebenen Chancen. Stichwort „Wiens Erfolg als Kongress-Metropole”: Kongresstouristen wollen nicht umsteigen. Das ist nur eins der vielen Argumente für die dritte Piste. Darüber hinaus müssen touristische Highlights fernab von Schönbrunn und dem Prater-Riesenrad geschaffen werden, um die Tourismusströme umzuleiten. Ich befürworte z.B. den Bau einer Kahlenberg-Seilbahn, so wie sie mein Vorgänger Josef Bitzinger vorgeschlagen hat. Denn damit Touristen mehr als nur einmal kommen, braucht es auch neue Attraktionen.
Wo sehen Sie sonst noch Potenzial?
Grießler: Wien muss sich stärker im Gesundheitstourismus positionieren, denn die medizinische Versorgung ist hier unbestritten erstklassig. Unser Ziel ist es, verstärkt die Mitgliedsstaaten der GUS (Anm.: Gemeinschaft unabhängiger Staaten) als Zielgruppe anzusprechen und auf das Angebot aufmerksam zu machen. Erste Gespräche mit Verantwortlichen in Moskau sind sehr positiv verlaufen. Ein „Medical Hub Vienna” hat meiner Meinung nach großes Zukunftspotenzial.