94 Wiener Unternehmensstandorte, an denen Lehrlinge ausgebildet werden, erhielten das „TOP-Lehrbetrieb”- Qualitätssiegel. Das Zertifikat kennzeichnet Betriebe, die sich auf vorbildliche Art in der Nachwuchsausbildung engagieren.
Reza Montazeri wickelt die Haare einer Kundin auf Lockenwickler, während Enes Celik mit Hingabe das Haar einer anderen Dame wäscht. Die Lehrlinge sind in ihrem Element. Frisör sei immer schon ihr Traumberuf gewesen, erzählen sie – der eine gebürtiger Wiener mit türkischen Wurzeln, der andere afghanischer Herkunft und seit 2011 im Land.
Dass sie diesen Traumberuf tatsächlich von der Pike auf erlernen können, liegt auch an Helga Kupferschmidt-Zandl. Die Frisörmeisterin bildet mit ihrem Team seit 22 Jahren Lehrlinge aus, seit elf Jahren vorwiegend solche, die über ein Qualifizierungsprogramm des Arbeitsmarktservice kommen, weil sie auf „normalem” Weg wenig Chance auf eine Lehrstelle haben. „Ich lege weniger Wert auf Schulnoten. Die Jugendlichen müssen Interesse und den Willen haben, den Beruf zu erlernen, das ist wichtig“, sagt Kupferschmidt-Zandl. Sie vermittle ihren Lehrlingen auch grundlegende Werte wie Pünktlichkeit, Höflichkeit und Respekt, oder Wertschätzung auch gegenüber Tier und Umwelt. Die jungen Leute, die oft aus schwierigen Lebenslagen zu ihr kommen, sollen lebensfit werden, sagt sie. „Ich will ihnen mitgeben, dass es wichtig ist, eine Arbeit und Ziele zu haben, um im Leben etwas zu erreichen.”
Enes und Reza wissen das zu schätzen. „Sie hilft bei allen Problemen, auch privaten”, sagt Enes über seine Chefin. Reza schätzt die familiäre Atmosphäre im Salon und dass er hier so viele Möglichkeiten bekommt, etwas zu lernen. Das Ziel, das beide haben, ist dasselbe: Später einen eigenen Frisörsalon zu eröffnen.
Kupferschmidt-Zandls Salon ist einer von 94 Ausbildungsstandorten von Wiener Betrieben, die diesen Montag im Wiener Rathaus das Zertifikat „TOP-Lehrbetrieb” erhielten. Das Qualitätssiegel wurde 2014 von den Wiener Sozialpartnern – darunter die Wirtschaftskammer (WK) Wien als treibende Kraft – und der Stadt Wien ins Leben gerufen. Es soll den Betrieben, die mit Überzeugung und Engagement ausbilden, Anerkennung signalisieren und ihre Arbeit sichtbar machen. Verliehen wird es stets für vier Jahre, danach müssen die Betriebe die Zertifizierung neuerlich beantragen. Heuer war die Rezertifizierung erstmals möglich, was 60 der ausgezeichneten Standorte nutzten. 34 Standorte erhielten das Siegel erstmals.
Vorbild sein und Fachwissen weitergeben
Das Gasthaus „Zum Burgenländer” im Stadioncenter wurde bereits 2015 erstmals als „TOP-Lehrbetrieb” ausgezeichnet. Jetzt erfolgte die Rezertifizierung für weitere vier Jahre. Für Chefin Bettina Graf, die das Gasthaus mit ihrem Mann Wolfgang seit 2007 führt, ist das Qualitätssiegel „eine willkommene Bestätigung und Anerkennung” ihrer Ausbildungsarbeit. Und auch eine Bestätigung dafür, dass ihr Betrieb den Vergleich mit dem Mitbewerb nicht zu scheuen braucht und deshalb für Lehrlinge interessant ist.
Die Grafs bilden seit 2009 Lehrlinge aus. Derzeit sind es vier: Zwei Burschen, zwei Mädchen, zwei in der Küche, zwei im Restaurant, zwei im ersten, zwei im zweiten Lehrjahr. „Ausbildung ist mir eine Herzensangelegenheit”, sagt Bettina Graf, die ihre Lehrlinge mit regelmäßigen Lehrlingsstammtischen, Exkursionen in andere Betriebe und Goodies für gute Leistungen motiviert. Das eigene Wissen in dieser Form an die Jugend weiterzugeben, drücke auch Wertschätzung gegenüber dem eigenen Beruf aus, meint die gelernte Gastronomin. Gerade in den Gastroberufen stecke ja viel mehr Wissen und Können, als man oft meine.
Auch für Frisörin Kupferschmidt-Zandl ist das „TOP-Lehrbetrieb”-Gütesiegel ein Zeichen der Wertschätzung. Was für sie aber die schönste Bestätigung ist: „Wenn ich von beruflichen oder privaten Erfolgen meiner ehemaligen Schützlinge höre oder auf Facebook lese, dann freut mich das am meisten.”
Das Qualitätssiegel
- Das „TOP-Lehrbetrieb”-Qualitätssiegel kennzeichnet vorbildliche Wiener Ausbildungsbetriebe – derzeit 183 Ausbildungsstandorte (jeder Standort eines Unternehmens ist extra zu zertifizieren).
- Eine Jury prüft, ob die Kriterien für die Auszeichnung erfüllt sind.
- Das Qualitätssiegel gilt für vier Jahre, danach muss es der Betrieb neuerlich beantragen.
- Die nächste Bewerbungsfrist für das Qualitätssiegel (Gültigkeit: 2020 bis 2023) startet im Februar 2019.
Nähere Infos:
WK Wien – Lehrlingsstelle
01 / 514 50 – 2414 oder 2482
wko.at/wien/top-lehrbetrieb
Quelle: Wiener Wirtschaft